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December 23, 2006

Eine Orgel wie sonst keine

Die Orgel der Lausanner Kathedrale mit ihren gegen 7000 Pfeifen ist eines der teuersten Instrumente weltweit. Der Klangfülle dieses Instruments zuzuhören, ist eine unvergleichliche Erfahrung.

Die Orgel ist ein zudem ein Unikum mit vier Orgeltypen in einem Gehäuse. Erstmals baute ein US-Unternehmen eine Orgel für eine Kathedrale in Europa. Und erstmals entwarf ein Designer eine Orgel.

"Wir mussten bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts auf eine wirklich wunderbare Orgel warten", erklärt Jean-Christophe Geiser gegenüber swissinfo.

Geiser ist seit 1991 Organist der Lausanner Kathedrale.

Als die elektrisch-pneumatische Transmission der alten Orgel von 1955 Anfang der 1990er-Jahre "Atemschwierigkeiten" (Luftdruck-Probleme) entwickelte, entschied sich die Waadtländer Regierung 1996 für den Bau einer neuen Orgel.

Sie schrieb darauf zwei Wettbewerbe aus, einen für den Bau, einen für das Design der Orgel. Den Zuschlag für den Bau der Orgel erhielt die Firma C.B. Fisk aus Massachusetts in den USA, jenen für das Gehäuse der italienische Designer Giugiaro.

Das neue Juwel der Lausanner Musikwelt wurde schliesslich im Jahr 2003 in Betrieb genommen. Nach 10 Jahren und Ausgaben von mehr als 5 Mio. Franken. Die alte Orgel fand eine neue Heimat in der Konzerthalle der Philharmonie von Danzig in Polen.

Pfeifen-Träume
Orgeln sind grundsätzlich Einzelstücke, aber gewisse sind einzigartiger als andere. "In der Schweiz gibt es nur noch ein Instrument mit mehr Pfeifen, aber eigentlich geht es nicht um die Grösse", sagt Geiser, eine der treibenden Kräfte hinter dem Orgel-Projekt.

"Unser Konzept war, auf die vier Orgeltypen - norddeutsch-barock, altfranzösisch, französisch-symphonisch und deutsch-romantisch - zu setzen. Das Einzigartige an unserer Orgel ist, dass alle vier Typen in einem Gehäuse vereint sind."

Orgeln sind grundsätzlich eine Ansammlung von Pfeifen. Der Ton und die Tonlage jeder Orgel variieren jedoch sehr stark, abhängig von Grösse, Form und Material.

Die unglaubliche Vielfalt
Wie ein Kunstmaler seine Farben mischt, muss der Organist ein bestimmtes Register (ein Set von Pfeifen) wählen, um dem jeweiligen Musikstück gerecht zu werden.

Eine Rolle bei der Auswahl spielt dabei jeweils auch die Akustik der Umgebung. Die Fisk-Orgel in Lausanne hat 100 Register. "Das Besondere an dieser Orgel ist ihre unglaubliche Vielfalt", unterstreicht Geiser.

Globale Zusammenarbeit
Während Jahrzehnten waren neue Orgeln für die grossen Schweizer Kathedralen traditionsgemäss von Schweizer Firmen gebaut worden, in Lausanne kamen nun Amerikaner zum Zug.

"Mit einem französischen oder einem deutschen Orgelbauer wäre das Instrument zu französisch oder zu deutsch geworden. Dasselbe Problem hätten wir mit einem Schweizer Orgelbauer gehabt", erklärt Geiser.

Fisk verfüge über sehr viel Fachwissen, auch im Bereich der unterschiedlichen europäischen Orgeltraditionen, erläutert er.

Designer in der Kathedrale
Neu war im Fall Lausanne auch, dass ein Designer das Gehäuse entwarf. Giugiaro, der unter anderem den Lamborghini und viele andere Autos entworfen hatte, liess sich für den "Körper" der Orgel von der Form eines Engels inspirieren, der auf einer Lichterwolke schwebt.

Der Bau einer Orgel ist eine knifflige Angelegenheit. Bis die Lausanner Orgel stand, brauchte es 150'000 Arbeitsstunden erfahrener Fachkräfte.

Vor dem Internet-Zeitalter, noch vor 15 Jahren, hätte man ein solches Instrument kaum bauen können, betont Geiser. Dabei verweist er auf die stete Kommunikation zwischen allen Seiten während des Orgelbaus, an dem insgesamt sechs Länder beteiligt waren.

Kathedrale wird Konzerthalle
Eine Spezifikation für den Designer war, dass die Kathedrale die Rolle einer "Konzerthalle mit Orgel" übernehmen sollte, da Lausanne, im Gegensatz zu anderen Schweizer Städten, keinen Raum hatte, in welchem Orchester- und Orgel-Repertoires zur Aufführung kommen konnten.

Die Fisk-Orgel hat daher zwei Spieltische mit je fünf Manualen. Der erste Spieltisch auf der Empore hat ein mechanisches Transmissions-System, der zweite Spieltisch verfügt über eine elektronische Transmission und steht auf einer beweglichen Plattform. Sie kann somit im Kirchenschiff herum bewegt werden.

Dank diesem mobilen Spieltisch kann das Konzert-Publikum den Organisten beim Spiel aus der Nähe sehen, statt wie sonst oft nur seinen Rücken weit oben auf einer Empore.

Im Vergleich mit dem Spiel einer sechsteiligen Bach-Fuge ist es fast peinlich simpel, nur zurückzulehnen und den Klängen eines der aufregendsten Instrumente der Welt zu lauschen.

swissinfo, Thomas Stephens
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

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