Vor der Wintersession - Budget, Juristenfutter und ein Scherbenhaufen
Viel Kopflastiges - und die Beerdigung eines Volksrechtes
Finanzpolitiker und Juristen kommen in der Wintersession auf ihre Kosten. Neben dem Budget prägt schwer verdauliche Kost wie das Patentgesetz oder das Strafprozessrecht das Geschehen.
Wenn es zutrifft, dass die Arbeit des Finanzministers bei guter Finanzlage anspruchsvoller wird, weil die Ausgabenfreude wächst, steht Bundesrat Hans-Rudolf Merz vor schwierigen Tagen: Die Rechnung für das laufende Jahr wird gemäss Prognosen des Finanzdepartementes mit einem ordentlichen Überschuss von 2,2 Milliarden Franken abschliessen, und die Konjunkturaussichten sind weiterhin positiv. Entgegen dieser Weisheit sieht die Ausgangslage für Merz aber nicht schlecht aus, wenn sich der Nationalrat ab Montag und der Ständerat in der folgenden Woche mit dem Voranschlag befassen: Zwar droht der bei Budgetdebatten übliche Streit über einzelne Ausgabenposten, und die SVP sowie die Grünen lehnen den Voranschlag ab. Doch solche Scharmützel werden sich in diesem Jahr in erster Linie auf die Dauer der Auseinandersetzung und weniger auf das effektive Ergebnis auswirken.
Die Finanzkommissionen der beiden Räte sehen gegenüber dem Antrag des Bundesrates nur minime Abweichungen vor und unterscheiden sich auch untereinander nur gerade in einem Punkt. Budgetiert ist ein Überschuss in Höhe von rund 900 Millionen bei Einnahmen von 56 Milliarden und Ausgaben von 55 Milliarden Franken. Die Kommission des Nationalrates zeigt sich etwas sparsamer und beantragt - auch unter dem Eindruck eines entsprechenden Berichts der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates - eine Kürzung der Ausgaben für externe Berater. Die Ständeratskommission lehnt dies ab, nicht zuletzt mit dem Hinweis darauf, dass das Parlament selbst Einfluss auf die Erteilung von Aufträgen nehmen kann, indem es weniger Vorstösse mit Forderungen nach immer neuen Expertisen und Berichten überweist.
Bio-Patente und MP3-Dateien
Bei den Sachgeschäften dominiert in dieser Session eher schwer verdauliche Kost für Spezialisten. Im Immaterialgüterrecht nimmt das Parlament zwei Revisionen in Angriff, die zwar sachlich nichts miteinander zu tun haben, aber vor ähnlichem Hintergrund erfolgen: Der technische Fortschritt erfordert die Anpassung der geistigen Eigentumsrechte. Das Patentgesetz, welches der Nationalrat behandelt, muss erneuert werden, weil es eine befriedigende Lösung zur Patentierung von biotechnologischen Erfindungen braucht. Gemäss dem Gesetzesentwurf, der nur noch von einer kleinen Minderheit bekämpft wird, sind solche Erfindungen künftig mit Einschränkungen - etwa zum Schutz der guten Sitten oder vor spekulativen Patenten - patentierbar. Der Ständerat passt derweil das Urheberrecht an die digitalen Technologien an. Auch bei dieser Vorlage folgte die Kommission weitgehend dem Bundesrat. Zur Debatte steht beispielsweise, inwiefern über das Internet zugänglich gemachte Werke, etwa MP3-Musikdateien, geschützt und abgegolten werden. So sieht das Gesetz unter anderem ein Verbot der Umgehung von Kopiersperren vor.
Möglichst schnelle Ergebnisse, aber ohne «kurzen Prozess» - so könnte das Motto der Vereinheitlichung des Strafprozessrechtes heissen, welches der Ständerat behandelt. Das in der neuen eidgenössischen Strafprozessordnung vorgesehene Verfahren soll fair, aber dennoch effizient sein: Zu diesem Zweck wird künftig auf den Untersuchungsrichter verzichtet, wie ihn bisher die meisten Kantone kannten. Stattdessen soll in allen Kantonen die Staatsanwaltschaft von der polizeilichen Ermittlung bis zur Vertretung vor Gericht alleine zuständig sein. Das Gesetz sieht aber auch Neuerungen vor, die dem schweizerischen Recht bisher fremd waren: So sollen sich Staatsanwaltschaft und Beschuldigter über Inhalte des Urteils, etwa über das Strafmass, absprechen können, um die Strafverfolgung zu beschleunigen. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Mediation zwischen beschuldigter und geschädigter Person lehnt die Kommission dagegen als zu aussichtslos und kostspielig ab.
Das schnelle Ende eines Volksrechts
Und schliesslich muss der Nationalrat in der dritten Woche einen Scherbenhaufen zusammenräumen: Die unter dem Titel «Ausbau der Volksrechte» entwickelte und erst vor gut drei Jahren von Volk und Ständen gutgeheissene allgemeine Volksinitiative erweist sich als für den politischen Alltag zu unattraktiv und in ihrer Umsetzung als praxisuntauglich. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates schlägt deshalb vor, die eben erst angenommene, aber nie in Kraft getretene Verfassungsbestimmung kurzerhand rückgängig zu machen und das neue Volksrecht wieder abzuschaffen. Dazu müssten erneut Volk und Stände ihre Zustimmung geben. Das Unterfangen ist auf bestem Weg - die Ständeratskommission hat das Vorgehen bereits akzeptiert. Womit die allgemeine Volksinitiative schon bald unter dem Stichwort «Schildbürgerstreiche» zu den Akten gelegt werden könnte.
Ausserdem im Parlament
Präsidiumswahlen: Christine Egerszegi (fdp., Aargau) wird zur höchsten Schweizerin: So sieht es das Drehbuch für die Wahl des Nationalratspräsidiums vor. Im Ständerat steht Peter Bieri (Zug, cvp.) zur Wahl. Und in der zweiten Sessionswoche wird Micheline Calmy-Rey zur Bundespräsidentin und Pascal Couchepin zum Vizepräsidenten gewählt. Mit Überraschungen ist nicht zu rechnen.
Agrarpolitik 2011: Weniger Preisstützung - mehr Direktzahlungen: Dieser Logik folgt die Agrarpolitik 2011, die der Ständerat in der dritten Sessionswoche behandelt. Gestritten wird in diesem Zusammenhang auch über die Zulassung von Parallelimporten von landwirtschaftlichen Produktionsmitteln.
Managed Care: Mit der Förderung von Managed- Care-Modellen im Gesundheitswesen könnte die Behandlungsqualität gesteigert und das Kostenwachstum begrenzt werden. Die Ständeratskommission beschränkt sich allerdings auf eine Mini- Reform. (NZZ vom 2. 12. 06) CO2-Abgabe: Bei der CO2-Abgabe auf Heizöl stellt sich die Ständeratskommission gegen den Nationalrat: Dieser will die Abgabe 2008 mit einem tiefen Satz einführen und beim Verfehlen der Reduktionsziele in Etappen erhöhen. Die Ständeratskommission will die Abgabe aber nur erheben, wenn der hohe Heizölpreis für sechs Monate unter den Stand vom März 2005 fällt.
Rüstungsgüter: Geschäfte aus dem Verteidigungsdepartement hatten es in letzter Zeit schwer. Die vorberatende Nationalratskommission stimmte dem Rüstungsprogramm 2006 indessen zu. Zu rechnen ist mit einer langen Debatte im Plenum - und mit einem Erfolg für Bundesrat Schmid.
Sprachenstreit: Der Bundesrat will auf ein Sprachengesetz aus Spargründen verzichten. Dennoch hat die zuständige Nationalratskommission eine Vorlage ausgearbeitet. Umstrittenster Punkt: Entgegen dem Willen der meisten Deutschschweizer Kantone soll nicht Englisch, sondern eine Landessprache in der Schule zuerst erlernt werden.(dgy.)
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