Gerichtskreise an die Wahlkreise anpassen
Die Regierung leitet dem Kantonsrat Botschaft und Entwurf für eine Justizreform zu. Die Vorlage schafft sieben Gerichtskreise, die den Wahlkreisen für den Kantonsrat entsprechen. Die Volkswahl der Kreisgerichte wird beibehalten. Ferner umfasst das Geschäft neue Wahlvoraussetzungen für Richterinnen und Richter und vereinfacht die Organisation der Kreisgerichte. Die Justizreform bringt Einsparungen von jährlich knapp 1,5 Millionen Franken.
Die Vorlage der Regierung ist in zwei Nachträge gegliedert, je einen zum Gerichtsgesetz und zum Kantonsratsbeschluss über die Zahl der Richter. Sie trägt dem Sparauftrag des Kantonsrates im Rahmen des Massnahmenpaketes 2004 Rechnung. Die Änderungen sollen auf Beginn der nächsten Amtsdauer der Kreisgerichte am 1. Juni 2009 umgesetzt werden.
Sieben Kreisgerichte
Mit der neuen Kantonsverfassung wurden die Bezirke aufgehoben und in Wahlkreise für den Kantonsrat umgeformt. Damit entstanden zum Teil erhebliche Abweichungen zu den Gerichtskreisen. Dies gilt insbesondere für die Wahlkreise St.Gallen, Wil und Toggenburg, die sich nicht decken mit den heutigen Gerichtskreisen St.Gallen, Untertoggenburg-Gossau, Alttoggenburg-Wil und Obertoggenburg-Neutoggenburg. Deshalb schlägt die Regierung eine Lösung vor, welche die Gebietseinteilung der Wahlkreise berücksichtigt: sechs Gerichtskreise, die den Wahlkreisen entsprechen, plus ein siebter Gerichtskreis, den bereits heute die Wahlkreise Werdenberg und Sarganserland gemeinsam bilden.
Damit bleiben die Gerichtskanzleien an den bisherigen Orten. Eine Ausnahme bildet der Gerichtskreis Wil, der neu gegliedert wird. Die Regierung vertritt die Auffassung, dass die Kanzlei des Kreisgerichtes Wil sowohl in Wil als auch in Flawil angesiedelt werden könnte. Die Regierung hat entschieden, dass die Gerichtskanzlei am bestehenden Standort in Flawil untergebracht werden soll und der Standort Wil aufgehoben wird. Dieser Entscheid wird damit begründet, dass die Räumlichkeiten in Flawil genügend gross sind. Demgegenüber müssten in Wil neue Räumlichkeiten zugemietet werden, weil das neue Kreisgericht Wil in den bisherigen Räumlichkeiten in Wil nicht Platz hat. Dies käme teurer. Die Regierung hat daher mit Blick auf den Sparauftrag des Kantonsrates beim Standortentscheid auf die niedrigeren Kosten abgestellt.
Volkswahl der Kreisgerichte bleibt
Die Kreisgerichte werden vom Volk gewählt, die kantonalen Gerichte dagegen vom Kantonsrat. Im Vernehmlassungsentwurf hatte die Regierung vorgeschlagen, auch die Kreisgerichte künftig durch den Kantonsrat wählen zu lassen. Dadurch wollte sie gewährleisten, dass qualifizierte Richterinnen und Richter die komplexer und umfangreicher gewordenen Fälle beurteilen. Die politischen Parteien lehnten aber im Vernehmlassungsverfahren die Parlamentswahl überwiegend ab – vor allem aus staatspolitischen Gründen. Die Volkswahl gewährleiste die demokratische Legitimation der gewählten Richterinnen und Richter und damit ihre Unabhängigkeit besser. Die Regierung will deshalb bei der Justizreform am Grundsatz der Volkswahl der Kreisgerichte festhalten.
Zur Qualitätssicherung sind jedoch neue Wahlvoraussetzungen vorgesehen. So müssen künftig die hauptamtlichen und die fest angestellten nebenamtlichen Richterinnen und Richter über ein Lizentiat oder einen Master einer schweizerischen Universität oder ein schweizerisches Anwaltspatent verfügen und wenigstens drei Jahre Berufserfahrung in der Rechtspflege oder Advokatur nachweisen. Dabei kann der Kantonsgerichtspräsident einen anderen Hochschulabschluss oder Fähigkeitsausweis als gleichwertig anerkennen.
Einzelrichter und Geschäftsleiter
Mit verschiedenen Gesetzesänderungen wurde in den letzten Jahren die Zahl der Richterinnen und Richter reduziert, die an einem Entscheid mitwirken. Heute entscheidet im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren in rund 80 Prozent der Fälle ein Richter allein (der Kreisgerichtspräsident oder ein Gerichtsschreiber mit einzelrichterlichen Befugnissen). Nur noch 20 Prozent kommen vor ein Kollegialgericht mit in der Regel drei Richtern. Die neue Gerichtsorganisation sieht daher Einzelrichter als eigenständige Kategorie vor. Sie treten an die Stelle von Kreisgerichtspräsidenten, deren Zahl auf zwei bis drei je Gerichtskreis reduziert wird, und von Gerichtsschreibern, die in der neuen Organisation keine einzelrichterlichen Befugnisse mehr haben. Daneben sind weiterhin die Familienrichter für Familiensachen zuständig, und die nebenamtlichen Laienrichter kommen als Beisitzer in den Kollegialgerichten zum Einsatz. Den Kreisgerichtspräsidenten obliegt auch in Zukunft die administrative Leitung des Gerichtes, wobei einer als Geschäftsleiter einzusetzen ist, der die Hauptverantwortung für die personelle und administrative Leitung des Kreisgerichtes trägt. Die neue Organisation soll ohne Personalausbau durch Stellenumwandlungen umgesetzt werden.
Kassationsgericht abschaffen
Neben dem Kanton St.Gallen kennt lediglich der Kanton Zürich ein Kassationsgericht. Im Bereich der Strafrechtspflege besteht bereits seit Erlass des Strafprozessgesetzes kein solches Gericht mehr. Das ausschliesslich aus nebenamtlichen Mitgliedern bestehende Kassationsgericht hat darum nur noch rund 15 bis 20 zivilrechtliche Fälle pro Jahr zu bearbeiten. Für eine so geringe Zahl rechtfertigt es sich nicht, ein selbständiges Gericht beizubehalten.
Schlichtungsstelle ersetzt Arbeitsgericht
Arbeitsrechtliche Streitigkeiten werden heute ohne vorgängiges Schlichtungsverfahren von den Arbeitsgerichten entschieden, die paritätisch aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusammengesetzt sind. In der Praxis liegt der Hauptakzent des Verfahrens auf der Streitschlichtung; die meisten Fälle werden durch Vergleich erledigt. Deshalb soll in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten dem Gerichtsverfahren ein eigentliches Schlichtungsverfahren vorangehen, wie dies auch der Entwurf für eine schweizerische Zivilprozessordnung vorsieht. Pro Gerichtskreis ist eine nebenamtliche Schlichtungsstelle geplant. Die neuen Schlichtungsstellen werden paritätisch zusammengesetzt sein. Sie lösen die Arbeitsgerichte ab; arbeitsrechtliche Klagen werden in Zukunft von den Kreisgerichten entschieden.
Sparauftrag erfüllt
Der Kantonsrat beauftragte die Regierung mit dem Massnahmenpaket 2004, bei den Gerichten insgesamt rund eine Million Franken pro Jahr zu sparen. Diese Vorgabe ist mit der bereits erfolgten Reduktion der Zahl der Kantonsrichter von elf auf neun sowie mit der Verkleinerung des Versicherungsgerichtes teilweise schon realisiert. Die Justizreform ermöglicht weitere Einsparungen, so dass mit einem Entlastungspotenzial von voraussichtlich knapp 1,5 Millionen Franken der Auftrag des Kantonsrates erfüllt wird.
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Material: Botschaft und Entwürfe der Regierung vom 19. Dezember 2006 (PDF, 226 Kb)
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